Ausgangslage: Aktie zum Schnäppchenpreis
Dieselskandal, Datenleck, Bilanzfälschungen.
Wenn ein Skandal ein Unternehmen erschüttert, oder es durch die Politik Gegenwind erfährt, kann das ein Beben auslösen und den Aktienkurs in den Keller befördern.
Aber ist das jetzt nicht eine Riesenchance? Es heißt doch: Kaufe, wenn die Kanonen donnern.
Die Ausgangslage ist, dass die Aktie auf die du aufmerksam geworden bist von weit oben kommt. Und jetzt gibt es diesen Riesenknick im Kursverlauf. Die Aktie ist jetzt also richtig günstig. Oder nicht?
Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn sonst gäbe es an der Börse ja nur Millionäre.
Der teure Denkfehler lautet...
"Viel weiter runter kann es ja nicht gehen."
Das ist einer dieser psychologischen Fallstricke, die an der Börse lauern. Eine Aktie, die jetzt 6 Euro kostet, vor zwei Jahren aber noch 100 Euro gekostet hat, wirkt auf den ersten Blick sehr günstig.
Fast als ob ein großes leuchtendes Schild darauf zeigt und verspricht "Über 90% Rabatt". Das Problem ist natürlich, dass die Aktie nicht ohne Grund gefallen ist. Es stellt sich die Frage, wie lange es dauert, bis die Aktie das alte Niveau wieder erreicht, oder ob sie es überhaupt wieder erreicht.
Denn...
Selbst wenn die Aktie bereits 90% gefallen ist. Sie kann von jedem Punkt noch weitere 100% fallen.
"Nur weil eine Aktie fällt, heißt das nicht, dass sie nicht noch weiter fallen kann."
Peter Lynch
Paradebeispiel wirecard
Zu beobachten war das beispielsweise beim Crash der wirecard Aktie. Das Unternehmen war so etwas wie der Shooting Star des DAX. Der deutsche Hoffnungsträger für die neue, digitale Bankenbranche.
Doch als nicht länger zu kaschieren war, dass etwas gravierend schief läuft bei dem Unternehmen, stürzte der Kurs verheerend ab. An einem einzigen Tag um über 60%.
Lange war viel Hoffnung und Erwartung in die Aktie gesteckt worden von Analysten, Börsenexperten und Fondgesellschaften.
Jetzt plötzlich stand die Aktie, die zuvor noch Kurspotential von 200 Euro und mehr bescheinigt bekam bei 80 Euro, dann bei 60, 50, 20 Euro! Ist das jetzt nicht DIE Gelegenheit? Wenn der Kanonendonner vorüber ist, steht die Aktie doch wieder deutlich höher, oder nicht?
Alle Anleger, die darauf gehofft haben, dass sich die Aktie langfristig doch noch einmal erholt, sitzen heute auf einem Totalverlust. Das gilt auch für die, die zu vermeintlichen Schnäppchenpreisen von 20 oder 30 Euro eingestiegen sind.
Soll ich im Crash die am stärksten gefallenen Aktien kaufen?
Zwei der im Corona-Crash meist nachgefragten Aktien waren Lufthansa und tui. Beide mussten gravierende Verluste hinnehmen. Der Impuls vieler Anleger ist hier, dass ja nur der vorherige Verlust ausgebügelt werden braucht, um einen fetten Gewinn einzustreichen.
Doch Aktien können eben auch zu Recht an Wert verlieren. tui und Lufthansa wurden von der Krise massiv getroffen. Und die Zukunftsaussichten sind noch ungewiss. Beide Unternehmen haben Staatshilfe erhalten, um eine Pleite abzuwenden.
Es ist deshalb keine gute Strategie, einfach die Aktien mit den größten Verlusten ins Depot zu legen und auf ein Comeback zu wetten. Der zurückliegende Kursverlauf einer Aktie darf für dich keine Grundlage einer Entscheidung sein. Selbst bei Marken, die so sehr im Bewusstsein verankert sind wie tui und Lufthansa.
In diesem Artikel lernst du den zweiten Fehler kennen, der dich viel Geld kosten kann. Quasi spiegelbildlich: "Soll ich stark gestiegene Aktien noch kaufen?"
Das einzige echte Entscheidungskriterium
Am Kursverlauf der Aktie also lässt sich überhaupt nicht ablesen, ob eine Aktie günstig ist. Sie kann stark gefallen sein und trotzdem noch zu teuer sein. Sie kann aber auch stark gestiegen sein und trotzdem noch günstig sein.
Wie kannst du also erkennen, ob ein Unternehmen und eine Aktie günstig ist?
Wie der Chart aussieht ist überhaupt nicht relevant. Oder welches Preisschild an der Aktie steht.
Es sind die Unternehmenswerte, die du dir ansehen solltest. Wie wertvoll ist das Unternehmen jetzt? Und wie sind die künftigen Aussichten? Wird es auf Sicht der nächsten Jahre wachsen und die Gewinne steigern?
Wenn du dich damit beschäftigt hast, und du aus gutem Grund davon ausgehst, dass das von dir ausgewählte Unternehmen in den nächsten Jahren stark wachsen wird, können dir auch Kursschwankungen von 10, 20 oder noch mehr Prozent egal sein, solange sich an dieser Perspektive nichts ändert.
Dann weißt du, warum du die Aktie hast, und wirst eher darüber nachdenken dir noch ein paar Aktien mehr zu kaufen, um von dem günstigen Preis langfristig zu profitieren.
The good, the bad and the ugly...
Hier sind noch mal die 3 möglichen Szenarien, wenn du auf eine gefallene Aktie setzt.
Ein echter Turnaround
Eine Möglichkeit ist, dass es sich um einen echten Turnaround-Kandidaten handelt. Wenn du das Unternehmen unter die Lupe genommen hast und richtigerweise annimmst, dass der echte Wert höher liegt, und sich die Aktie diesem Wert nun wieder annähern wird, hast du alles richtig gemacht. Eine zuvor verprügelte Aktie kann stark zulegen und dein möglicher Gewinn kann überaus attraktiv sein.
Aktuelle Beispiele: H&M, rwe,
Ein echter Rohrkrepierer
Es ist aber auch möglich, dass es sich um einen echten Rohrkrepierer handelt. Wer die letzten Jahre auf die Deutsche Bank gesetzt hat oder auf deutsche Autohersteller, der hatte an seinen Aktien nicht viel Freude.
Die deutsche Bank Aktie kostete 2007 über 100 Euro, und heute liegt sie bei unter 10 Euro.
Es geht seitwärts
Zuletzt kann sich deine Aktie natürlich auch mehr oder weniger seitwärts bewegen.
Fazit
Ob eine Aktie günstig oder teuer ist wird nicht dadurch entschieden, wie der Chart der Aktie aussieht. Ob der Kurs ganz unten oder ganz oben steht, sollte für deine Entscheidung eine Aktie zu kaufen keine Rolle spielen.
Entscheidend ist immer nur, wie wertvoll das Unternehmen jetzt ist und welche Aussichten das Unternehmen in Zukunft hat. Kannst du davon ausgehen, dass das Unternehmen wertvoller sein wird, und der Aktienkurs steigt?
Nur eine echte Analyse des Unternehmens hilft hier weiter, nicht der Blick auf den Chart.
Bei einem echten Turnaround Kandidaten kannst du zu einem einmalig günstigen Preis zum Zug kommen. Oft folgen gefallene Aktien aber auch weiter ihrem Abwärtstrend. Dass du genau den Tiefpunkt erwischst ist zumindest sehr unwahrscheinlich.
Die vergangene Entwicklung ist nie ein Garant für die zukünftige Entwicklung. Und verlieren kannst du mit einer Aktie immer 100%. Auch dann, wenn sie mal bei 100 Euro stand, und jetzt nur noch 1 € kostet.